(Anmerkung: Gespielt wurde die US-Version für die Xbox One.)
Die Wolfenstein-Saga geht endlich in die nächste Runde. Mit Serienheld B.J. Blazkowicz darf sich der Spieler erneut in den Kampf gegen Nazisoldaten stürzen. Die
Handlung im neuesten Streich ist etwas ungewöhnlich und teils auch ein wenig gewagt: Der Zweite Weltkrieg läuft anders ab als bekannt. Nazi-Deutschland kann sich gegen die Allierten behaupten und der technologische Vorsprung läuft auf Hochtouren. Im Jahr 1946 starten die Allierten, darunter auch unser Held, einen Angriff auf eine Burg. Dabei wird B.J. verwundet und fristet 14 Jahre ein Dasein in einer Nervenklinik. Bei seiner Genesung muss er resigniert feststellen, dass die Nazis den Krieg gewonnen haben und der Faschismus die Welt nun fest im Würgegriff hat. Das will er nicht ohne Weiteres hinnehmen, sondern zieht aus und schließt sich einer Untergrundbewegung an, um den Deutschen erneut den Kampf anzusagen.
Soweit an der Storyfront. Wolfenstein-Veteranen haben lange auf The New Order warten müssen, aber die Geduld hat sich gelohnt. Der neueste Ableger setzt
gekonnt auf eine Mischung aus Oldschool und modernem Gameplay. Der Spieler bewegt sich auf einem recht linearen Weg und pustet dabei einen Landser nach dem anderen um. Was sich plump anhört, wird dank vieler Ideen zum Schmaus für Actionfans. So kann der Spieler entscheiden, ob er mit vollem Karacho den Feinden entgegentritt oder sich lieber leise seinen Widersachern entledigt. Freischaltbare Fähigkeiten verbessern dabei den bevorzugten Kampfstil. Insgesamt gibt es Fähigkeiten für die Typen "Stealth", "Tactical", "Assault" und "Demolition". Dazu können von den meisten Waffentypen 2 Exemplare gleichzeitig verwendet werden, um einer Übermacht besser entgegentreten zu können. Reines Abschlachten in bester Rambo-Manier ist aber gerade auf höheren Schwierigkeitsgraden (von denen es 4 gibt) nicht immer die optimale Lösung. Offiziere können bei Feindkontakt noch zusätzliche Verstärkung rufen, was die eigenen Chancen nochmal verringern kann. Durch leises Meucheln kann man diesem vorbeugen. Es kommen also verschiedene Spielertypen auf ihre Kosten.
Um ein wenig Abwechslung ins Spiel zu bringen, sind viele Levels mit allerlei Sammelgegenständen gespickt. Neben Goldartefakten gehören dazu vor allen Dingen sogenannte "Enigma-Codes", mit denen man im Extramenü zusätzliche Gameplaymodi freischalten kann. Diese Codes zu knacken, ist allerdings eine recht heikle Angelegenheit, bei den man teilweise um Hilfe von Außerhalb nicht herumkommt. Weitere Gimmicks sind Briefe und Tonaufnahmen für mehr Hintergrundwissen (hat da wer Far Cry 3 gerufen ?) sowie Konzeptzeichnungen der einzelnen Schauplätze. Diese reichen von einer Burg über verschiedene Gefängnis- und Militärkomplexe bis zum Gestapo-HQ. Abwechslung ist in dieser Hinsicht reichlich geboten. Durch das leise Ausschalten von Offizieren, in Verbindung mit der optional auffindbaren Karte, lässt sich die Suche vereinfachen. Stellenweise gibt es noch kleine Nebenmissionen, vor allem im Rebellenquartier. Sogar eine Easter Egg-Anspielung auf Wolfenstein 3D lässt sich finden. Die Gegnertypen gliedern sich in Soldaten, Elitetrupps, aber teilweise auch abgedrehten Konstrukten wie gepanzerten Hunden oder mechartige Supersoldaten. An einer Stelle muss der Spieler übrigens eine Wahl treffen, welche Verbündeten er am Leben lassen will. Dies hat kleinere Auswirkungen auf den Zugang zu versteckten Gegenständen.
Das Gameplay ist ansonsten so, wie man es sich in einem Wolfenstein vorstellt. Viel abgedrehte Action, hier und da ein paar kleinere Rätseleinlagen und manchmal
darf man auch in einem Mech oder einem Mini-U-Boot Platz nehmen. Mit den oben genannten Features eine spaßige Angelegenheit. Wenn da die Steuerung nicht wäre. Gegenstände müssen stets per Tastendruck aufgenommen werden, was besonders in hektischen Momenten schnell an den Nerven sägen kann. Granaten sind als eigene Waffengattung ausgewiesen - ist deren Einsatz gefragt, kann dies unter Umständen ebenfalls zur Zerreißprobe werden, da das "Waffenrad" eine recht fummelige Angelegenheit ist. Wahrscheinlich ist dies jedoch dem Oldschool-Gameplay geschuldet. Regenerative Energie gibt es nur zum Teil, man muss sich also bei längeren Kämpfem mit Verbandsmaterial zusammenflicken, von dem aber immer genug da ist. Dennoch finden sich im Spielverlauf ein paar unfaire Abschnitte. Hierzu seien beispielsweise die Museumslobby oder der U-Boot-Kontrollraum genannt. Oftmals sind recht viele Anläufe nötig, bis man endlich den Knackpunkt gefunden hat. Die Gegner haben es nämlich richtig in sich. Sie suchen geschickt Deckung, wechseln oft die Position, flankieren und setzen gerne Granaten ein. In Stealth-Situationen hingegen lassen sie sich von toten Kameraden unverständlicherweise nicht stören. In Nahkämpfen warten sie zudem immer brav der Reihe nach ab, sodass sich einer nach dem anderen abservieren lässt (!). Achja, und wer kam eigentlich auf die Idee, das Scharfschützengewehr in doppelter Ausführung benutzen zu können...?
Ein paar kleinere Marotten hat der neuste Nazi-Trash-Ausflug also, aber dies sind nur kleinere Fußnoten in einem sonst sehr guten Spiel. Die Spielzeit ist
zufriedenstellend lang, einen überflüssigen Multiplayer gibt es nicht und die Atmosphäre ist den Entwicklern perfekt gelungen. Eine spezielle Technik, bei der Texturen erst innerhalb des Sichtfelds geladen werden, sorgen für flüssigen Ablauf und eine ausgefallen Optik. Die Sprecher beherrschen ihr Handwerk allesamt perfekt, das gilt vor allem für die Antagonistenseite. Diese sprechen in gestochenem Hochdeutsch, wie man es sich eben bei einem Landser vorstellt. Auch storytechnisch hebt sich der Titel von anderen Actionorgien ab. Wolfensteinfans greifen hier sowieso zu, aber auch anderen kann man diesen Titel ohne Wenn und Aber ans Herz legen.
Fazit: B.J. strikes back ! Hier hat MachineGames sich selbst übertroffen. So muss Action aussehen.